Waldstruktur und Waldwachstum (Gadow, Klaus von)

19,00  Preis inkl. MwSt.

Umfang: 252 S.

Format: 17×22 cm

ISBN: 3-930457-32-6

Leseprobe: GadowWaldwachstumLeseprobe

Beschreibung

Unveränderter Nachdruck durch Verlag Kessel, www.forstbuch.de
Mit freundlicher Genehmigung durch den Universitätsverlag Göttingen.

Vorwort

Beeinflusst durch die Arbeiten von Mitscherlich (1971, 1975), Ulrich (1986) und Kramer (1988) befasst sich die Waldforschung nicht mehr ausschließlich mit der wirtschaftlichen Nutzung der Wälder, sondern zunehmend mit dem Ökosystem Wald, seiner Struktur und Dynamik. Neben der Suche nach allgemeingültigen Erkenntnissen über die vielfachen Wechselbeziehungen zwischen den im Wald lebendenden Organismen und deren anorganischer Umgebung gehört die Beschreibung von Bäumen und Waldbeständen und die Prognose der Walddynamik zu den wichtigen Aufgaben der Waldforschung.

Eine direkte Folge der großräumigen Waldzerstörung seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist ein ungewöhnlich hoher Artenschwund. Viele Tier- und Pflanzenarten starben aus oder sind vom Aussterben bedroht. Diese bedrohliche Situation führte zu einer verstärkten Aktivität im Bereich der Diversitätsforschung. Neben der Dichte gehört daher die Struktur und Diversität zu den charakteristischen Merkmalen der Waldbestände. Die Waldstruktur gibt Auskunft über die Verteilung der Baumarten und Baumdimensionen im Gelände. Die Raumstruktur wird nicht nur bestimmt durch die Verteilung der Baumstandpunkte im Gelände, sondern vor allem durch das räumliche Nebeneinander der Baumarten und Baumdimensionen. Wälder sind einschichtig oder mehrschichtig, artenarm oder artenreich und durch die Kombination dieser Attribute ergibt sich eine große Vielfalt möglicher Zustände.

Bäume besitzen die Fähigkeit, auf Änderungen in der belebten und unbelebten Umwelt zu reagieren. Diese Fähigkeit zeigt sich in der Dynamik des Wachstums, d.h. in der Reaktion auf einen aktuellen Ausgangszustand, der durch die herrschenden Standorts- und Konkurrenzbedingungen bestimmt wird. Diese Vielfalt der möglichen Reaktionen gilt es zu erfassen und zu beschreiben, sodass aus den Einzelbeobachtungen generelle Erfahrungen entstehen, die in Form von Modellen nutzbar gemacht werden können. Die Wachstumsprognosen sollen glaubwürdig, zugleich aber auch möglichst detailliert sein. Diese Anforderungen sind nicht einfach zu erfüllen, denn die aktuellen Ausgangszustände sind vielfältig und die möglichen Reaktionen darauf zahlreich. Immer detailliertere Modelle mit zunehmend höherer Auflösung können dazu führen, dass ein Modell letztendlich untauglich bzw. unzweckmäßig wird. Bei der Prognose des Waldwachstums gibt es keinen universell gültigen Maßstab. Die biologischen Prozesse auf einer gegebenen Hierarchiestufe werden durch die Prozesse auf einer niederen Stufe bestimmt und durch die Bedingungen auf einer höheren Stufe eingeschränkt. Das Baumwachstum wird durch physiologische Prozesse im Baum bestimmt, aber die im Bestand herrschenden Konkurrenzbedingungen beschränken die Möglichkeiten der Entwicklung. Die meisten Modelle der Waldentwicklung werden für ganz bestimmte Zwecke konzipiert. Sie unterscheiden sich in Bezug auf ihre Allgemeingültigkeit, – ihre Anwendbarkeit für eine Bandbreite von Gegebenheiten, – und in Bezug auf ihre Genauigkeit, die durch den Prognoseschätzfehler bestimmt wird. Eine hohe Genauigkeit wird gewöhnlich auf Kosten einer geringen Allgemeingültigkeit erreicht und die Auswahl eines geeigneten Modelltyps beruht daher in der Regel auf einem Kompromiss.

Informationen über das Baumwachstum und die Holzerträge von Waldbeständen werden für unterschiedliche Zwecke benötigt. Die forstbetriebliche Planung benötigt Wuchsmodelle, um waldbauliche Optionen für reale Waldbestände zu erzeugen, deren Ausgangszustand mehr oder weniger gut bekannt ist. Die Produktionsplanungen der holzverarbeitenden Industrie stützen sich auf regionale Prognosen des Holzaufkommens zur Schätzung zukünftiger Sortenerträge. Stadtverwaltungen benötigen Prognosen des Ast- und Wurzelwachstums von Straßen- und Parkbäumen. Die Politik stützt sich auf Wuchsmodelle, um die Auswirkungen von Stoffeinträgen und Klimaänderungen zu beschreiben. Die Bereitstellung von Informationen für solch unterschiedliche Zwecke ist Aufgabe der waldwachstumskundlichen Forschung. Auf der Basis zahlreicher, zum Teil langfristig angelegter Einzeluntersuchungen versucht die waldwachstumskundliche Modellforschung, Anregungen für effektive Datengewinnung zu geben, praxistaugliche Prognoseinstrumente zu entwickeln und grundlegende Gesetzmäßigkeiten der Walddynamik zu erkennen. Dabei beschränkt sich das Interesse nicht mehr auf ein bestimmtes Wuchsgebiet. Beispiele aus unterschiedlichen Regionen der Erde belegen grundsätzliche Erkenntnisse.

Dieser Text entstand während der letzten 12 Jahre als Beilage zu meiner Lehrveranstaltung Waldwachstum im Institut für Waldinventur und Waldwachstum der Georg-August-Universität Göttingen. Es ist ein Versuch, auf der Grundlage der richtungweisenden Arbeiten meiner Vorgänger, neue Möglichkeiten für die Waldwachstumsforschung aufzuzeigen, nicht nur im Hinblick auf die waldbauliche Entwicklung in Deutschland, sondern auch unter Einbeziehung von Beispielen aus anderen Ländern. Mein besonderer Dank gilt Frau Sonja Rüdiger für Textformatierung und Korrekturen.
Klaus v. Gadow